Festgehalten, durchsucht und weggesperrt

 

Wie viele andere hatten acht junge Aktivisten das Ziel Mailand. Dort fand erstmals ein internationales Treffen zum Thema Remigration statt. Hierfür wurde ein Flug von München nach Mailand gebucht. Sie wollten bereits am Donnerstagabend fliegen. Am Gate wurden die Aktivisten jedoch von der Bundespolizei aufgehalten. Zwei von ihnen wurden sogar noch aus dem Flugzeug herausgezogen.

 

Es folgte eine Durchsuchung aller Aktivisten. Sämtliche persönliche Gegenstände wurden durchsucht und dokumentiert. All dies sollte später gegen sie verwendet werden. In den Aufzählungen finden sich auch besonders inkriminierende Gegenstände wie ein AfD-Schreibblock und ein AfD-Kugelschreiber.

 

Die Aktivisten wurden sieben Stunden lang am Flughafen festgehalten, bevor sie wieder freigelassen wurden. Zum Abschied erhielt jeder von ihnen einen schriftlichen Bescheid, mit dem ihnen die Ausreise in die Schweiz, nach Österreich und Italien untersagt wurde. Zudem erhielten sie eine Meldeauflage bei der Polizei. Bei Verstößen und Nichteinhaltung drohten ihnen erhebliche Strafen.

 

Um 02:30 Uhr kontaktierte einer dieser Aktivisten die Kanzlei und übersandte den Bescheid.

 

Recht und Rechtsschutz

 

Es wurde umgehend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entworfen. Da die Aktivisten bis in die frühen Morgenstunden in einer fremden Stadt festgehalten wurden und die Veranstaltung bereits am nächsten Tag in Italien stattfinden sollte, blieben nur wenige Stunden, um sich gegen die Anordnung zu wehren.

 

Bereits um 8 Uhr morgens wurde das Gericht über die bevorstehenden Anträge informiert. Um 9:49 Uhr teilte das Gericht mit, dass der Antrag mit sämtlichen Unterlagen, insbesondere dem Bescheid, unverzüglich einzureichen sei und der Antrag bis spätestens 10:30 Uhr zu begründen sei. Um 10:35 Uhr reichten wir für fünf Aktivisten den Eilantrag samt Unterlagen ein. Diesen Antrag finden Sie am Ende des Beitrags zum Nachlesen.

 

Voraussetzung einer solchen Ausreiseverweigerung ist es, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG). Hier sollte bereits die alleinige Teilnahme an dieser Veranstaltung die Belange der Bundesrepublik gefährden, da das Konzept gegen die verfassungsmäßig Ordnung verstoßen würde. Gestützt wurde dies insbesondere auf die Behauptungen des Landesamt für Verfassungsschutzes.

 

Nach bisheriger Rechtsprechung müssen die sonstigen erheblichen Belange ebenso gewichtig sein wie die innere oder äußere Sicherheit. Dazu müsste das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn schwere Straftaten zu befürchten sind. Zudem soll dies unter besonderen Umständen bei rechtsextremistischen Betätigungen der Fall sein. Solche besonderen Umstände lagen in der Vergangenheit bei rechtsextremen Veranstaltungen auf ehemaligen deutschen Gebieten vor.

 

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es wurden nicht einmal Straftaten oder rechtsextreme Äußerungen unterstellt. Stattdessen wurde behauptet, dass die Aktivisten die dort getätigten Äußerungen weiter verbreiten könnten, obwohl diese auch online verfügbar sind. Im Falle von Martin Sellner, der ausdrücklich genannt wurde, konnte dieser bisher seine Gedanken frei in Deutschland äußern. Dies durften Deutsche jedoch nicht in Italien hören.

 

Die Eilentscheidungen

 

Am Nachmittag erging die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgte nicht, da schlicht davon ausgegangen wurde, dass es sich um eine rechtsextreme Veranstaltung handelt. Eine nähere Überprüfung wurde dem Hauptsachverfahren vorbehalten, obwohl in keiner Weise dargelegt wurde, welche besonderen Umstände hier vorliegen oder wie das Ansehen gefährdet sein könnte. Es wurde lediglich eine sogenannte summarische Prüfung vorgenommen.

 

Es folgte eine Interessenabwägung. Die Antragsteller könnten später Rechtsschutz erlangen, ohne dass negative Folgen drohten. Dem Staat droht jedoch eine Verletzung seines Ansehens. Somit wurden die Anträge abgelehnt.

 

Gegen diese Entscheidung wurde umgehend Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben. Auch dieser übernahm die Ansicht des Verfassungsschutzes, dass es sich um rechtsextreme Äußerungen handelte. Ausführungen zur geltend gemachten fehlenden Betätigung, zur Meinungsfreiheit und zur Bedeutung von Remigration ließen sich vermissen. Allein die Teilnahme an einer Veranstaltung, die laut dem Verfassungsschutz nicht mit der Verfassung vereinbar ist, genügte.

 

Besonders hervorzuheben ist die Begründung des Verwaltungsgerichts München, welche sich auf vergangene Entscheidungen zu neonazistischen Bewegungen berief. Bei der identitären Bewegung handelt es sich nämlich gerade nicht um eine solche, sondern allenfalls um eine neurechte Bewegung. Dies wurde in der Beschwerde angeführt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärte daraufhin, dass es unerheblich sei, in welcher Form Rechtsextremismus vorliege. Jegliche Form des Rechtsextremismus würde bereits eine Ausreiseuntersagung begründen:

 

Soweit die Antragsteller in ihrer Beschwerdeschrift geltend machen, dass die „Identitäre Bewegung“ der „Neuen Rechten“ zuzuordnen sei und nicht dem Neonazismus, verweist das Gericht auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im vorgenannten Beschluss, in dem es die Qualifizierung der „Identitären Bewegung“ als gesichert rechtsextrem bejaht.

Auch die von den Antragstellern in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesamts für Verfassungsschutz grenzen den Begriff der „Neuen Rechten“ gerade nicht vom Neonazismus ab, sondern führen die „Identitäre Bewegung“ unter dem Stichwort „Sonstige Rechtsextremisten“ auf. Für eine mögliche Gefährdung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ist es ohne Bedeutung, welcher Strömung des Rechtsextremismus die „Identitäre Bewegung“ zuzurechnen ist. Die Definition des Begriffs „Remigration“ kann angesichts dessen ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Antragsteller bloße Teilnehmer des „Remigration Summit“ ohne eigene Rolle oder Funktion sind. Liegen die Voraussetzungen der Ausreiseuntersagung vor, sind etwaige damit verbundene Eingriffe in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit jedenfalls gerechtfertigt.

 

Beide Entscheidungen können Sie ebenfalls am Ende des Artikels zum Nachlesen finden.

 

Die Zukunft für Aktivisten

 

Anders als bei anderen Entscheidungen drohten hier weder Gewalt noch NS-Ideologie oder -Symbolik. Stattdessen sollte bei diesem Treffen ein Meinungsaustausch stattfinden, der dem Verfassungsschutz missfällt. Den Antragstellern wurde lediglich die Teilnahme vorgeworfen, nicht jedoch eine aktive Betätigung.

 

Somit ist davon auszugehen, dass bereits eine Stellungnahme des Verfassungsschutzes in Zukunft zu einer Ausreisverweigerung führt. Erst das kürzlich öffentlich gewordene Gutachten zur AfD zeigte, dass eine solche Einschätzung auch bei bloßen Memes rasch erfolgen kann. Da sich nicht auf einen Eilrechtsschutz verlassen werden kann, hilft in Zukunft nur eine vorherige Anfrage bei der Bundespolizei. Wer eine Reise plant und eine Ausreiseverweigerung befürchtet, muss künftig bei der Bundespolizei anfragen, ob Maßnahmen geplant sind. Nur dann kann rechtzeitig Rechtsschutz erlangt werden.

 

Der Antrag auf Eilrechtsschutz vom 16.05.2025

Beschluss des Verwaltungsgericht München vom 16.05.2025

Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16.05.2025