Haftbefehl nach über 15 Monaten Haft aufgehoben!
Seit April wird am OLG Koblenz eine IS-Terror-Anklage des Generalbundesanwalts verhandelt, welche folgende Vorwürfe zum Gegenstand hat: Mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen (Fälle 1 bis 9), in vier Fällen (Fälle 5 bis 8) in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung und mit Mord, hiervon in zwei Fällen (Fälle5 und 6) in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch Bestrafung unter Verstoß gegen rechtsstaatliche Garantien und in zwei Fällen (Fälle 6 und 8) in Tateinheit stehend mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch grausame oder unmenschliche Behandlung, wobei in einem Fall (Fall 8) der Tod einer Person durch grausame oder unmenschliche Behandlung verursacht worden sei, und in einem weiteren Fall (Fall 2) in Tateinheit mit dem Versuch eines Kriegsverbrechens gegen Personen durch Tötung, in zwei weiteren Fällen (Fälle 3 und 4) in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen durch Geiselnahme.
Sämtliche Anklagevorwürfe scheinen sich in Luft aufzulösen. Der Senat sieht aktuell keinen dringenden Tatverdacht mehr.
Am 03. Juni 2024 beantragte Rechtsanwalt Mandic den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs aufzuheben.
Der Prozess droht für den Generalbundesanwalt zum Fiasko und Justizskandal zu werden. Wir haben tiefe Einblicke in einen fernen und 9 Jahre zurückliegenden Mikrokosmos in der syrischen Wüste bekommen, der nach anderen Regeln funktioniert als unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Ein Zeuge verstieg sich zu der Aussage, dass er regelrecht angewidert sei von seinem Land. Auch andere Zeugen berichteten, dass es völlig normal war jemanden beim Regime zu Unrecht anzuzeigen, um ihn eins auszuwischen. Nicht selten bedeutete dies jahrelange Folter oder gar den Tod.
Eingebettet in diese Gesamtumstände wurden die Einwohner Al Sawannahs Zeugen einer sich auflösenden Gesellschaft und Ordnung. Die meisten Einwohner verbrachten fast ihr ganzes Leben in dieser geschlossenen und übersichtlichen kleinen Minenstadt. Die für das Regime existenziell wichtige Phosphatförderung erforderte besondere Sicherheitsmaßnahmen und mit Aufflammen des Bürgerkrieges wurde ein besonderes Wachregiment aufgestellt. Dieses „Baath-Batallion“ spielt in diesem Verfahren eine besondere Rolle.
Die Erzählungen, die schließlich zur Anklageerhebung in mehreren EU-Staaten mündeten, entstanden nach Einzug des IS in Al Sawannah in einer sich auflösenden Gesellschaft.
Eine zentrale Rolle nahmen dabei skurrile Figuren wie Ziyad H. und dessen Söhne ein. Ziyad ist über Jahre ein typischer Handlanger und Denunziant in einem mörderischen diktatorischen System gewesen. Was ihn zu den Falschbeschuldigungen bewogen hat, ist nicht ganz klar. Wir wissen aber, dass es in jener Gesellschaft nicht vieler Gründe bedurft hatte, um jemanden zu denunzieren. Ein Motiv könnte etwa Neid gewesen sein, weil mein Mandant und andere Bewohner es nach Europa geschafft hatten. Ein anonymer Zeuge hatte zuletzt erklärt, er mache erst weitere Angaben, wenn er dafür Geld bekomme.
Ein wichtiger Aspekt bei der Aufhebung des Haftbefehls war auch die Tatsache, dass die NGO, die die Ermittlungen im Ausland wesentlich bestimmte, die Cömmission for International Justice and Accountability (CIJA), wesentliche entlastende Zeugenvernehmungen zurückgehalten hatte.
Die im Prozess aufgetretenen Hauptbelastungszeugen Ziyad und Mohammad waren wenig glaubhaft. Der Senat hob hervor, dass die Aussagen im Kerngeschehen der Tat wenig konstant waren und im Widerspruch zu polizeilichen Vernehmungen standen. Andere Zeugen hoben hervor, dass Ziyad dafür bekannt war, andere zu Unrecht anzuzeigen und in syrische Gefängnisse zu bringen. Er soll selbst eigene Familienmitglieder denunziert haben. Im Prozess wurde zudem bekannt, dass Ziyad andere Zeugen abtelefonierte und beeinflusste.
Andere Zeugen, deren Vernehmungen dem Senat erst im Juni von der CIJA zur Verfügung gestellt wurden, behaupteten Ziayd selbst habe für den Islamischen Staat gearbeitet. Auch andere Hauptbelastungszeugen wurden dessen beschuldigt.
Die Situation in der Stadt Al Sawannah scheint sich so dargestellt zu haben, dass der IS die Stadt kampflos übernahm und den Bewohnern deshalb in Aussicht stellte keine Repressalien anzustellen. Die Mitglieder des Baath-Batallions, die über Waffen verfügten und als Regimeangehörige besondere Angst vor dem IS hatten, wurden vom IS zurückgerufen. Wer seine Waffe abgab und an einem mehrtägigen Scharia-Kurs teilnahm, bekam Amnestie. Kriegsverbrechen verübte der IS nicht an den Einwohnern der Stadt, sondern auf gefangen genommenen Mitgliedern der Freien Syrischen Armee. Zwei wurden nach dem Mittagsgebet auf einem zentralen Platz vor den herbei gerufenen Einwohnern durch Kopfschüsse exekutiert. Die Belastungszeugen versuchten meinen Mandanten darin zu verwickeln indem sie behaupteten er habe bei der Sicherung der Menschenmenge geholfen. Tatsächlich war er gar nicht anwesend.
Der Prozess wird am 23.07.2024 fortgesetzt. Es ist am Ende mit einem Freispruch zu rechnen.