Das Sexualstrafrecht in Deutschland wurde in den letzten Jahren erheblich ausgedehnt. Den Kernparagrafen stellt § 177 StGB dar. Die letzte große Ausweitung fand 2016 statt. Ziel des Gesetzes ist es, die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu schützen. Jedoch bringt dieses Strafgesetz einige Probleme mit sich.
Zum einen ist der Straftatbestand gerade in Grenzfällen nicht sehr genau gefasst. Zum anderen wird der Vorwurf des sexuellen Übergriffs häufig gerne missbraucht, um eine andere Person zu diskreditieren. Dies kann aus taktischen Gründen geschehen, etwa im Rahmen eines Sorgerechtsstreits oder um eigenes Fehlverhalten zu rechtfertigen.
Der Vorwurf, Täter eines Sexualdelikts zu sein, wiegt schwer. Mit ihm einhergehen häufig enorme Auswirkungen wie soziale Ächtung, der Verlust des Arbeitsplatzes oder das Scheitern einer Beziehung.
Ich kläre für Sie die wichtigsten Fragen zu den Sexualdelikten des § 177 StGB.
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Inhaltsverzeichnis
- Tatbestände des § 177 StGB: Wann macht man sich strafbar?
- Welche Strafe droht bei einer Verurteilung?
- Ist bereits der Versuch strafbar?
- Wie verhalten, wenn man eine Anzeige erhalten hat?
- Wann verjährt ein solches Delikt?
- Wie kann ein Strafverteidiger helfen?
Wann liegt eine Strafbarkeit nach § 177 StGB wegen eines sexuellen Übergriffs vor?
Der § 177 StGB sieht drei verschiedene Kategorien an strafbaren Handlungen vor, die nach ihrer Schwere abstufend betrachtet werden. Der Überbegriff ist der sexuelle Übergriff. Wird der Täter nicht nur übergriffig, sondern setzt zudem ein Nötigungsmittel ein, dann liegt nachgelagert auf der zweiten Erheblichkeitsstufe die sexuelle Nötigung vor. Die erheblichste Form ist die Vergewaltigung.
Die sexuelle Handlung als zentraler Begriff
Zentral ist immer das Vorliegen einer sexuellen Handlung. Dieses Merkmal lässt sich nur schwer definieren. Umfasst ist jede Handlung, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild auf eine Geschlechtlichkeit bezogen ist. Obwohl hierbei eine gewisse Erheblichkeit vorliegen muss, ist das Spektrum an sexuellen Handlungen denkbar weit.
Umfasst ist insbesondere das Berühren einer Person an den Geschlechtsteilen oder in deren unmittelbarer Umgebung. Diese Berührung muss nicht zwingend mit dem eigenen Körper geschehen. Es genügt, wenn ein Hilfsmittel wie ein Stock oder ähnliches eingesetzt wird. Auch Küsse auf erogene Zonen sind sexuelle Handlungen. Bei anderen Küssen, etwa auf die Hand, kommt es jeweils auf den konkreten Einzelfall an.
Ein abschließender Katalog lässt sich nicht aufstellen. Zudem ist sich die Rechtsprechung der Obergerichte nicht immer einig, ob eine konkrete Handlung bereits sexuell ist oder noch nicht.
Sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung
Der Straftatbestand des sexuellen Übergriffs sieht im Wesentlichen drei unterschiedliche Tatvarianten vor. Strafbar macht sich danach, wer gegen den erkennbaren Willen des Opfers
- sexuelle Handlungen an diesem vornimmt
- sexuelle Handlungen von einem Dritten an diesem vornehmen lässt
- dieses zur Vornahme oder zu Duldung sexueller Handlungen an sich oder von einem Dritten zwingt.
Hierbei wird einem Handeln gegen den erkennbaren Willen gleichgestellt, wenn …
- das Opfer nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern und der Täter dies ausnutzt.
- das Opfer aufgrund seines körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist und der Täter dies ausnutzt, es sei denn, er hat sich der Zustimmung zuvor versichert. Diese Variante betrifft insbesondere stark betrunkene oder durch Drogen berauschte Personen.
- der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt.
- der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht.
- der Täter das Opfer zu der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
Der Begriff des empfindlichen Übels kann sehr weitreichend sein. Bereits die Ankündigung, eine Beziehung zu beenden, kann nach der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe ein empfindliches Übel darstellen. Sofern eine Drohung mit einem empfindlichen Übel geschieht, liegt eine sexuelle Nötigung vor.
Vergewaltigung
Eine Vergewaltigung liegt immer dann vor, wenn der Täter entgegen dem Willen des Opfers in einer dem Beischlaf entsprechenden Weise anal, oral oder vaginal in dieses mit einem Körperteil oder einem Gegenstand eindringt.
Ein Zungenkuss stellt damit keine Vergewaltigung dar, obwohl der Täter mit seiner Zunge oral in den Körper des Opfers eindringt. Es bleibt jedoch je nach den Umständen ein sexueller Übergriff oder eine sexuelle Nötigung.
Welches Strafmaß droht bei einer Verurteilung nach § 177 StGB?
Der Strafrahmen bei einer Verurteilung wegen § 177 StGB reicht von drei Monaten bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Es kommt immer im Einzelfall darauf an, welche Art von sexueller Handlung unter welchen Umständen vorgenommen wird.
Ein Klaps auf den Po oder ein Griff an die Brust stellt einen sexuellen Übergriff dar, für den ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren besteht. Liegt aufgrund der Umstände ein minderschwerer Fall vor, verringert sich die drohende Strafe auf drei Monate bis drei Jahre. Die zu erwartende Strafe dürfte sich im Regelfall in diesen Fällen eher in dem unteren Bereich des Strafrahmens bewegen.
Wird der Griff an die Brust jedoch mit einer Drohung durch ein empfindliches Übel verbunden, besteht der gleiche Strafrahmen wie bei einem sexuellen Übergriff. In diesen Fällen wird sich die Strafe jedoch eher im mittleren bis oberen Bereich des Strafrahmens bewegen.
Ist das Opfer aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage, einen entgegenstehenden Willen zu äußern, beträgt die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr. Dies gilt ebenso, wenn der Täter
- Gewalt anwendet,
- mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
- eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
Liegt eine Vergewaltigung vor oder wird die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen, droht eine Mindeststrafe zwei Jahre.
Eine Mindeststrafe von drei Jahren besteht, wenn der Täter das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder eine Waffe, ein gefährliches Werkzeug oder ein sonstiges Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand des Opfers durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu unterbinden oder zu überwinden. Es genügt hierbei bereits, dass sich ein entsprechender Gegenstand wie etwa ein Schraubenzieher oder ein Taschenmesser in der Hosentasche befindet.
Wird ein solcher Gegenstand dann tatsächlich verwendet, das Opfer körperlich schwer misshandelt oder sogar in die Gefahr des Todes gebracht, dann gilt die höchste Strafdrohung des § 177 StGB von mindestens fünf Jahren.
Ist bereits der Versuch einer Sexualstraftat nach § 177 StGB strafbar?
Die Frage lässt sich kurz und knapp mit Ja beantworten. Schon der Versuch einer Frau in den Schritt oder an die Brust zu fassen, ist strafbar. Hierbei ist es noch nicht einmal nötig, dass es tatsächlich überhaupt zu einer Berührung des Opfers kommt.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man eine Anzeige erhalten hat?
Der Vorwurf, eine Sexualstraftat begangen zu haben, wiegt sehr schwer. Alleine der Verdacht kann zu massiven Auswirkungen führen. Es ist daher umgehend ein im Sexualstrafrecht erfahrener Rechtsanwalt aufgesucht werden, um die Lage zu besprechen und Akteneinsicht zu nehmen.
Auf gar keinen Fall sollte ein Gespräch mit der Polizei oder der Staatsanwaltschaft geführt werden. Gerade in solch heiklen Gesprächen fallen oft unbedachte Äußerungen, welche dem Betroffenen auch im Falle seiner Unschuld später zum Verhängnis werden können.
Äußerungen können ohne jeden Nachteil auch noch zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens getätigt werden, nachdem zusammen mit einem kompetenten Rechtsanwalt eine Verteidigungsstrategie erarbeitet wurde.
Wann verjährt ein Sexualdelikt gemäß § 177 StGB?
Für die Verjährung ist entscheidend, welcher Strafrahmen für die Tat vorgesehen ist. Desto höher die Strafandrohung, desto länger dauert die Verjährungsfrist. Daher verjähren die jeweiligen Tatvarianten des § 177 StGB nicht einheitlich.
Ein einfacher sexueller Übergriff oder eine einfache sexuelle Nötigung, bei der „nur“ mit einem empfindlichen Übel gedroht wird, verjähren aufgrund der Strafandrohung in fünf Jahren.
Sofern der Täter Gewalt angewendet hat oder mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gedroht hat, verschiebt sich der Strafrahmen, wie oben aufgezeigt, massiv nach oben. Dadurch verlängert sich auch die Verjährungsfrist erheblich. Es gilt in diesen Fällen eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Diese Verjährungsfrist gilt ebenfalls für Vergewaltigungen.
Insgesamt ist hierbei jedoch zu beachten, dass die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn das Opfer das 30. Lebensjahr vollendet hat. Steht also der Vorwurf eines einfachen sexuellen Übergriffs im Raum, bei dem das Opfer zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war, tritt in diesem Fall die Verjährung nicht bereits nach 5 Jahren, sondern erst nach 15 Jahren ein.
Anzeige wegen einem sexuellen Übergriff erhalten: Wie kann ein Strafverteidiger helfen?
Ein Strafverteidiger und erfahrener Anwalt für Sexualstrafrecht kann sich im Rahmen der Akteneinsicht einen Überblick über das gesamte Verfahren verschaffen und so den konkret vorgeworfenen Sachverhalt ermitteln. Entscheidend ist gerade in diesen Verfahren, welche Vorwürfe sich aus der Akte entnehmen lassen, um eine sinnvolle Verteidigungsstrategie zu erarbeiten.
Des Weiteren kann er Sie dabei unterstützen, mit dieser heiklen Situation umzugehen und in möglichst großem Umfang Schaden von Ihnen fernzuhalten. Insbesondere kann unter Umständen eine Verurteilung vermieden werden, indem Ihr Strafverteidiger die Staatsanwaltschaft oder das Gericht dazu bewegt, das Verfahren einzustellen.
Gerade im Sexualstrafrecht handelt es sich häufig um Aussage-gegen-Aussage Situationen. In diesen ist ein wesentlicher Faktor, welche Aussage für das Gericht glaubwürdiger ist als die andere. Wer vermutet, dass es in solchen Konstellationen häufig zu Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen kommt, der irrt sich erheblich. Entscheidend ist nicht, ob gegensätzliche Aussagen gemacht werden, sondern stets, welches Gesamtbild sich für das Gericht am Ende der Beweisaufnahme ergibt. Ihr Strafverteidiger wird daher seine Kenntnisse gezielt dazu einsetzen, dieses Bild in einem für Sie möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen.
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Über den Autor
RA Dubravko Mandic
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Dubravko Mandic aus Freiburg berät und vertritt bundesweit Mandanten. Seine Kernkompetenz ist dabei das Strafrecht. Durchsetzungsstark setzt er sich für die Interessen und Rechte seiner Mandanten ein und erreicht dabei oftmals einen Freispruch oder die Einstellung des Strafverfahrens. Nutzen Sie unsere Expertise und nehmen Sie Kontakt zur Kanzlei Mandic auf!