Der Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB stellt einen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch Kundgabe ihrer Missachtung (BGHSt 1, 289; BGHSt 36, 148) unter Strafe. Problematisch hierbei ist, dass die Grenzen zwischen zulässiger Kritik und strafbewehrter Kritik fließend sind. Keine Norm steht häufiger im Konflikt mit der Meinungsfreiheit. Gerade bei politischen Themen ist harsche Kritik gewöhnlich und auch nötig. Allerdings kann mittels des Tatbestands der Beleidigung auch zulässige Meinungsäußerungen Hausdurchsuchungen und Strafbefehle nach sich ziehen.
Erst kürzlich erregte eine Hausdurchsuchung in Deutschland wieder Aufmerksamkeit. Ein Rentner retweetete ein Meme mit Robert Habeck und der Bildunterschrift „Schwachkopf Professional“ in Anlehnung an die Marke Schwarzkopf. In der Folge stellte Robert Habeck Strafantrag, die Staatsanwaltschaft ermittelte und eine Hausdurchsuchung folgte.
Ähnlich verhält es sich bei einem aktuellen Fall, welcher der Rechtsanwaltskanzlei Mandic vorliegt. Dort sind auf einer Collage verschiedene Politiker abgebildet in Aufmachung eines Filmplakates und als Lügner betitelt. Drumherum befinden sich auch verschiedene Symboliken, welche auf Kontroversen der dargestellten Politiker hinweisen. Es handelte sich dabei um erkennbare Satire, welche Kritik an der Regierung kundtut.
Aktuelle Politische Lage: Verschärfte Verfolgung bei angeblicher „Verhöhnung des Staates“
Inzwischen müssen auch sonst unbescholtene Bürger bei Meinungskundgaben Repressionen befürchten. In den letzten Jahren hat sich der Diskurs verengt und es wurde immer wieder zur Aufgabe erklärt gegen „Hass“ im Internet vorzugehen. Auch Innenministerin Nancy Faeser äußerte sich wiederholt in eine solche Richtung und möchte scheinbar jegliche Kritik an den Machtapparat verfolgen:
„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Meldestellen, wo nahezu automatisiert „Hass“ im Internett festgestellt werden und Ermittlungen eingeleitet werden. Bei vermeintlichen Beleidigungen von Politikern braucht es durch die Vorschriften §§ 188 Abs. 1, 194 Abs. 1 S. 2 StGB, nicht wie bei Privatpersonen, einen Strafantrag, sodass auch ohne Wissen der genannten Politiker ermittelt werden kann.
Die Meinungsfreiheit und politische Beleidigung
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dieses Grundrecht muss bei der Beurteilung einer Beleidigung stets beachtet werden. Sofern die Meinungsfreiheit schwerer wiegt als die Ehre des Angegriffenen, ist eine Strafbarkeit zu verneinen.
Grundrechtlich geschützt sind Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Werturteile genießen grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit, Richtigkeit oder Vernünftigkeit ankäme (BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 – 1 BvR 23/94 –, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26). Er besteht deswegen unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Es besteht sogar das Recht sich zu irren, denn gerade im Gegensatz zu Tatsachen, sind Meinungen nicht wahr oder falsch, sodass der Inhalt einer Äußerung gänzlich unbeachtlich ist.
Dass eine Aussage scharf, übersteigert, polemisch oder verletzend überzogen formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit (BVerfG, Beschlüsse vom 13.04.1994 – 1 BvR 23/94 –, BVerfGE 90, 241, juris Rn. 26). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist damit Hass auch eine geschützte Meinung.
Hinzu kommt, dass eine Meinungskundgabe stets ausgelegt werden muss. Erweist sich demnach die fragliche Äußerung als mehrdeutig und lässt sie verschiedene Interpretationen zu, von denen nicht jede strafrechtliche Relevanz erfährt, darf der Tatrichter nur dann von einer zur Verurteilung führenden Deutung ausgehen, wenn er alle anderen, nicht strafbaren Auslegungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen hat (BVerfGE 93, 266 (295 f.); NJW 2003, 660 (661)).
Einzig unzulässig ist Schmähkritik. Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 –, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 122 und 191). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt selbst eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik noch nicht die Einschätzung als Schmähung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.02.2022 – 1 BvR 2588/20 –, NJW 2022, 1523, juris Rn. 22).
Daher ist es steht empfehlenswert auch den Anlass einer Äußerung und den Kontext in der Äußerung selbst erkennen zu lassen, da andernfalls eine solche Schmähkritik vorgeworfen wird.
Die Verteidigung im Falls des Satire-Filmplakates
Im vorliegenden Fall des Filmplakates konnte mittels Auslegung dargelegt werden, dass der Mandant nicht – wie vorgeworfen – Beleidigungen um sich warf, sondern gezielt Kritik an politisches Handeln übte.
Beispielsweise waren Geldscheine im Zusammenhang mit Olaf Scholz abgebildet. In diesem Zusammenhang denkt man sofort an CumEx. Die Warburg Bank hinterzog Millionen an Euro Steuern, während die Hamburger Finanzbehörden dies sogar bekannt war und wissentlich Rückforderungen verjähren ließ. Treffen und Korrespondenz mit den damaligen Bürgermeister Olaf Scholz ermöglichten dies wahrscheinlich erst. Bei sämtlichen Vernehmungen zu diesen Treffen hatte der heutige Bundeskanzler jedoch Erinnerungslücken und verhinderte so eine Aufklärung. Bei dieser Auslegung erscheint die Bezeichnung als Lügner nicht mehr als anlasslose Missachtung, sondern als elementare Machtkritik.
Im Falle von Nancy Faeser konnte mittels einer Faust, welches ein Hakenkreuz schlägt, einerseits auf ihre Verbindung zu einer linksextremen Organisation geschlossen werden und andererseits auf ihre 13 Maßnahmen gegen Rechtsextremismus. Teil dieser 13 Maßnahmen war es nämlich Hass strafrechtlich zu verfolgen, wobei auch die oben genannte Äußerung fiel. Mittels einer satirischen Darstellung als Lügnerin und Feindin des Volkes wurde eben an diesen Vorgehen Kritik geübt. Denn wer Staatskritik unterbinden möchte, handelt entgegen demokratischen Prinzipen und ist vergangenen Staatsformen näher als den modernen Rechtsstaat.
Der Mandant hat damit nach den Grundsätzen des BVerfG in zulässiger Weise seine Meinung kundgetan.
Dabei ist auch relevant, dass bei satirischen Darstellungen es nur auf den eigentlichen Inhalt und nicht die überzogene Einkleidung ankommt (BVerfG, Beschluss vom 7. März 1990 – 1 BvR 266/86 –, BVerfGE 81, 278-298, Rn. 56).
Daher ist bei einer Hausdurchsuchung und einem Strafbefehl wegen vermeintlicher politischer Beleidigung Ruhe zu bewahren und rechtlicher Rat einzuholen. Vermeintlich aussichtlose Situationen sind zumeist von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen. Für dieses Recht lohnt es sich zu kämpfen.