Was ist passiert
Mein Mandant verfasste auf seinem öffentlich einsehbaren X-Profil ( ehemals Twitter) einen Beitrag, in dem er aufgewühlt schrieb, dass es so schlimm sei und wünschte „Deutschland erwache bitte“, abschließend wünschte er frohe Weihnachten. Anlass für diesen Beitrag war ein Ausschnitt aus einer Nachrichtensendung, in der über den Anschlag in Magdeburg, eine vermeintliche Verbindung zur AfD und einen vermeintlichen ideologischen Missbrauch der Tat durch Alice Weidel berichtet wurde.
Der Beitrag wurde bei einer Meldestelle gegen „Hetze“ gemeldet und landete letztlich bei der Staatsanwaltschaft Göttingen, der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet. Diese erregte zuletzt noch Aufmerksamkeit durch den Beitrag von „60 Minutes“.
Die Strafbarkeit der Parole
Grundsätzlich ist die Parole „Deutschland Erwache“ nach § 86a StGB strafbar.
§ 86a StGB stellt die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe. Das Kennzeichen muss von der Organisation genutzt wurden sein und die Verwendung muss öffentlich erfolgen. Eine öffentliche Verwendung liegt vor, wenn ein unüberschaubarer Personenkreis erreicht wird. Dies ist im Falle eines Beitrags im Internet stets der Fall.
Bei der Wortkombination „Deutschland erwache“ handelt es sich um eine dem sog. „Sturmlied“ Eckerts entnommene Parole der SA, die von der der NSDAP und deren Sturmabteilung (SA) genutzt, namentlich auf deren Standarten verwendet und abgebildet wurde. Damit handelt es sich auch um ein Kennzeichen einer verfassungswidriger Organisation.
Es kommt grundsätzlich nur auf die Verwendung des Kennzeichens und gerade nicht auf die Gesinnung an. So kann schnell Satire, Kritik oder die öffentliche Darstellung der Verwendung durch einen anderen strafbar sein.
Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
Trotzdem gelang die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, sodass das Verhalten rechtlich nicht für strafbar gehalten wurde.
In diesem Fall wurde ein Einstellungsantrag an die Staatsanwaltschaft gesendet. Es wurde angezweifelt, dass mein Mandant überhaupt diese Parole im Sinn hatte. Denn er verwendete sie nicht isoliert, sondern in seinen Text im Kontext der Berichterstattung und dem Anschlag in Magdeburg. Nicht einmal der Wortlaut stimmte mehr, da der Mandant ein „bitte“ hinzufügte.
Hinzu kommt, dass die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen inzwischen völlig normalisiert ist, aber nur für Kunst und Presse folgenlos bleibt. Schließlich wurde der Vorsatz angezweifelt, da den meisten Menschen solche Parolen bereits unbekannt sind. Der Satz „Deutschland wach auf!“ kann bei der falschen Wortwahl schnell zu einer Straftat werden. Näheres können Sie den Schriftsatz selbst nachlesen!
In diesem Bereich werden Verfahren nur ungern eingestellt und führen zumindest in erster Instanz häufig zu Verurteilungen. Dennoch lohnt es sich, einen Anwalt einzuschalten. Somit konnte auch in diesem Fall eine Einstellung erreicht werden.
Schriftsatz mit anschließender Einstellung des Verfahrens