Heute erreichte uns ein Fax, mit welchem die Stadt Potsdam unseren Mandanten auffordert Stellung zu nehmen zu einer geplanten förmlichen Verlustfeststellung nach dem Freizügigkeitsgesetz. Der Bescheid, mit welchem unserem Mandanten die Grundrechte erheblich eingeschränkt werden sollen, ist praktisch schon fertig und liegt uns als Entwurf vor. „Ich untersage Ihnen hiermit, das Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu betreten. … Für den Fall, dass Sie Ihrer Ausreisepflicht … nicht nachkommen, drohe ich Ihnen die Abschiebung nach Österreich an.“
Weiter soll Herrn Sellner eine Einreisesperre für drei Jahre erteilt werden. Auch soll der Bescheid sofort – nach Zustellung an die Kanzlei Mandic – vollziehbar sein.
Die ersten 13 Seiten des Bescheids erschöpfen sich in der Wiedergabe von Verfassungsschutzberichten. Auch das jüngst in Misskredit geratene „BRD-Institut“, welches unter Correctiv firmiert, wird zitiert. Am Ende wird aber immerhin berichtet, dass Sellner in allen Fällen immer freigesprochen oder die Verfahren eingestellt wurden.
Mit dem rechtlichen Problem, dass für die Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG gemeinhin erhebliche strafrechtliche Verurteilungen vorliegen müssen, die auch rechtkräftig sind, geht die Ausländerbehörde vorliegend dergestalt um, dass sie diesen Punkt einfach übergeht und weiter ausholt und behauptet, Sellner beabsichtige „die unverrückbaren staatlichen Grundlagen der Bundesrepublik zu verändern“. Weiter hege er die Absicht, die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes zu verletzen. Auch der Holocaust wird in der Weise erwähnt, dass Sellner die diesbezügliche Verpflichtung der BRD ablehne (?).
RA Mandic:
Wir haben es hier mit einer Art Parteiverbotssurrogat zu tun. Die Gedanken unseres Mandanten, die offensichtlich keine Strafgesetze berühren, sollen in irgendeiner Weise – hier bot sich die Stadt Potsdam eilig den Medien und der Regierung als Erfüllungsgehilfe an – als Gedankenverbrechen verboten werden. Man will nun genüsslich das Vorexerzieren was der Delinquent selbst mit anderen – viel schutzwürdigeren Menschen – vorhat: abschieben, abschieben, remigrieren.
Darin erkennt unsere Postdemokratie eine besonders feinsinnige „Ironie“, die quasi schlagend sei und auf dem Wege des Vollzugs der Abschiebung die zugrundeliegenden verbotenen Ideen gleichsam exekutiert – ohne diese argumentativ widerlegen zu müssen.
Wir, die nach 1945 Geborenen haben einmal geschworen, Faschismus und Krieg nie wieder zuzulassen. Beides ist nicht gelungen – Deutschland befindet sich wieder im Krieg, und die Demokratie, die immer nur eine Simulation war, wurde längst abgeschafft. Insofern ist es ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet diejenigen die das getan haben, sich, nun als Retter der Demokratie ausgeben!
Dank und Anerkennung gehören aber den Menschen die, wie Martin Sellner, sich tatsächlich für die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaat einsetzen und dabei Not und Verfolgung erdulden müssen! Dank auch allen Juristen, die sich für solche Menschen einsetzen – das macht Hoffnung!
Ich bin mir sicher, Martin wird einmal die gesellschaftliche Anerkennung erfahren, die er verdient!
In diesem Sinne – Daumen hoch und weiter so!
Mit freundlichen Grüßen,
Steffen Gnauck, Dresden